Statistik und Compliance
Angehende Juristinnen und Juristen werden bereits im ersten Semester zu scharfem Schlussfolgern angehalten. Eine Rechtsfolge tritt ein, wenn alle Tatbestandselemente erfüllt sind bzw. wenn mindestens eine Tatbestandsvariante erfüllt ist (Seiler, 2009). Diese Schwarz-/Weiss-Logik lässt kaum Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen zu, jedenfalls sind solche in den Lehrbüchern kaum zu finden. Umso mehr erstaunt, dass statistische Methoden in letzter Zeit in den Rechtswissenschaften Anwendungen finden. Es gibt Gerichtsentscheidungen, auch Leitentscheide des Bundesgerichts, welche Studien zitieren, in denen statistische Tests eine Rolle spielen. Dass aber im Rahmen eines Gerichtsverfahrens ein statistischer Test durchgeführt wird, ist nach wie vor ungewöhnlich.
Chi-Quadrat-Test
In einem Beschluss vom 10. November 2003 hat das Finanzgericht Münster den sogenannten Chi-Quadrat-Test angewendet und das Resultat als starkes Indiz für Manipulationen der Buchführung erachtet. Bei einem statistischen Test berechnet man die Wahrscheinlichkeit der Nullhypothese, welche das Gegenteil ist, von dem, was man eigentlich zeigen möchte. Ist diese Wahrscheinlichkeit klein, beispielsweise kleiner als 5%, so kann man die Nullhypothese verwerfen und es verbleibt die Alternativhypothese als Möglichkeit übrig. Dieses indirekte Vorgehen bestätigt die Alternativhypothese, welche dem erwünschten Resultat entspricht. Ist die Wahrscheinlichkeit der Nullhypothese jedoch gross, so konnte der statistische Test das erhoffte Resultat nicht zeigen.
Quelle
(Seiler, 2009) Seiler, Hansjörg ; Einführung in das Recht; 3. Auflage, Zürich; Schulthess; 2009.